#twofaced (Kap. 15)
Ich verstaue gerade das fette Mathebuch, welches ich soeben aus dem Spind geholt habe, in meiner geräumigen Louis-Vuitton Handtasche, die meine Mutter mir vor einigen Wochen aus einem zweitägigen Shoppingtrip mit ihrer besten Freundin Anette Wiesentauer mitgebracht hat. In dem Moment, legt sich eine Hand um meine Taille und ich zucke erschrocken zusammen. „Ich bins nur, Baby“, meint Jonas lachend und drückt mir einen feuchten Kuss auf die Wange. Innerlich schüttele ich mich und denke an meinen gemeinsamen Abend mit Leo bei der Party zurück, unser schönes Gespräch, bei dem ich mich um Längen wohler gefühlt habe, als in diesem Moment mit meinem festen Freund. „Das mit Freitag ist blöd gelaufen, Baby, aber du verzeihst mir doch, oder?“, gurrt er und zieht mich noch enger an sich. Ich verschließe meinen Spind, ziehe mir die Tasche über die Schulter und zwinge mich zu einem Lächeln. In dem Moment läuft Leo an uns vorbei. Es ist bereits nach Schulschluss, ich hatte noch ein kurzes Gespräch mit meiner Bio-Lehrerin, der ich angeboten habe, ein zusätzliches Referat über den Ablauf der Fotosynthese im Vergleich zur Zellatmung in der kommenden Stunde zu halten. Ich wundere mich darüber, dass Leo noch hier ist, widme mich dann Jonas und mein Lächeln versiegt. Ich kann diese Farce nicht länger aufrecht erhalten. Obwohl es das ist, was sich meine und seine Familie und auch er am meisten wünscht, nehme ich seine Hand von meiner Taille, schaue ihm in die Augen und sage: „Ich will nicht mehr mit dir zusammen sein, Jonas.“ Seine Augen werden ganz groß und er keucht auf. „Wie bitte?“ Seine Stimme klingt schrill, fast schon hysterisch. Er erinnert mich an meine Mutter, die vermutlich genauso reagieren wird, wenn sie diese Neuigkeit erfährt. „Ich liebe dich nicht“, setze ich noch hinterher, straffe dann meine Schultern und gehe davon.
Als ich schon im Auto stehe, fische ich mein Handy aus der Handtasche und suche nach Leos Namen. Wir haben am Abend der Party unsere Nummern ausgetauscht. Mich frisst das Schweigen zwischen uns auf, aber ich bin nicht die einzige, die er mit seinem Verhalten straft, auch Milena ist betroffen. Dennoch möchte ich die Wogen zwischen uns glätten, weshalb ich ihn um ein Treffen bitte. Er antwortet augenblicklich, als hätte er auf meine Nachricht gewartet und wir verabreden uns für den Abend bei ihm zuhause. In dem Moment hoffe ich, dass alles gut werden wird.