Fortlaufende Geschichten

Neben dir sein (Kap. 11)4 Minuten Lesezeit

Nachdem ich Mama begrüßt habe, gehe ich zurück in mein Zimmer und schließe die Tür hinter mir. Ich brauche Zeit und Ruhe zum Nachdenken. Wer hat diese Fotos gemacht? Hatten wir einen Stalker? Habe ich einen Stalker? Ist er vielleicht immer noch hinter mir her? Fragen über Fragen stürmen auf mich zu, wie eine Lawine, die mich davon reißen möchte. Ich setze mich auf mein Bett und starre meine Fotowand an. Eines der Bilder zeigt mich und Nick auf besagter Schaukel, die in letztem Jahr abgerissen worden ist. Auf dem Bild sind wir vielleicht dreizehn oder vierzehn und grinsen in die Kamera. Nick hat noch seine Zahnspange und ich trage ein dickes Brillengestell auf der Nase. Dieses ist mittlerweile durch Kontaktlinsen ersetzt worden und ich schlucke schwer. Die Erinnerung an die damalige Zeit, in der wir noch unbeschwert und ahnungslos gewesen sind, versetzt mir einen Stich und ich muss erneut schlucken. Der Kloß in meinem Hals wird mit der Zeit größer und größer und kann nichts dagegen tun.

Wenig später klopft es zaghaft an der Tür und ich bringe ein gekrächztes  „Herein“ hervor. Mama steckt ihren Kopf ins Zimmer und lächelt mir leicht zu. „Spätzchen, Essen ist fertig.“ Ich nicke bloß und erhebe mich vom Bett. Ich habe die Wand genug mit meinen Blicken malträtiert und mein Magen grummelt schon. Langsam folge ich meiner Mutter in die Küche, bemerke aber den Blick, den sie in Papas Arbeitszimmer wirft. So als würde sie überlegen, ob ich in ihrer Abwesenheit dort drin gewesen bin oder ob ich es nicht gewagt habe. Wenn sie bloß wüsste. In der Küche ist der Tisch bereits gedeckt, für zwei, wie immer in letzter Zeit, und es riecht angenehm nach Kräutern und Tomaten. Mama greift nach meinem Teller und häuft mir etwas von den Nudeln und der Tomatensoße auf ihn. Schweigend tut sie es auch für sich selbst und bietet mir von dem Salat an, der ebenfalls auf dem Tisch steht. Früher ist Papa immer zum Mittagessen nach Hause gekommen, um dann wieder zur Arbeit zu fahren und vor seinen Kollegen damit anzugeben, wie gut seine Frau doch kochen kann. Jetzt ist es offensichtlich nicht mehr so und ich sehe an Mamas traurigem Blick, wie sehr es ihr zusetzt. Nach dem Vorfall haben sich mehrere Kollegen aus Papas Kanzlei bei uns gemeldet, um sich nach mir und meinem Wohlergehen zu erkundigen. Meine Eltern haben eine fröhliche Fassade aufrechterhalten und vor allen auf heile Welt getan, obwohl längst alle wussten, was Sache war. Ich versuche mich auf das Essen zu konzentrieren und meine dunklen Gedanken zu vertreiben. Manchmal klappt es gut, zum Glück ist das auch diesmal der Fall. Mama stochert lustlos in ihrem Essen herum und pickt einzelne Tomaten aus dem Salat. „Ist lecker“, murmele ich und wage ein zaghaftes Lächeln. Mama nickt einfach nur und schiebt dann ihren Teller von sich. „Ich habe nicht so einen großen Appetit, Süße. Ich gehe in den Waschkeller, habe noch eine Ladung zu erledigen.“ Ich weiß, dass das eine blöde Ausrede ist, weil sie gerade nicht mit mir reden möchte, weil sie vermutlich von meinem kleinen Abstecher in Papas Büro weiß und nicht will, dass ich ihr Fragen dazu stelle. Höchstwahrscheinlich ist sie nur in die oberflächlichen Details eingeweiht, so wie ich meinen Vater kenne, und könnte mir nicht mal die Hälfte meiner Fragen beantworten. Ich lasse die Gedanken so wie sie sind und esse weiter. Die Nudeln sind nach dem ganzen Hin und Her kalt und leicht klebrig, aber ich esse weiter. Ich möchte nicht, dass Mama sich Sorgen um mich macht, die hat sie schon genug, auch wegen meiner Wenigkeit. Nachdem ich aufgegessen habe, stehe ich auf, wasche den Teller ab und gehe dann nach oben. Die Tür zu Papas Büro ist zu und als ich zaghaft die Klinke hinunterdrücke, merke ich dass sie abgeschlossen ist. So wenig vertrauen mir meine Eltern also, denke ich und stapfe in mein Zimmer. Enttäuschung hat sich in mir ausgebreitet, wie blaue Tinte, die aus einem auslaufenden Tintenschreiber rinnt. Je mehr sie vor mir verstecken, desto mehr möchte ich wissen. Was ist in dieser Nacht passiert? Der Nacht, die allem Anschein nach, alles verändert und mein und Nicks Leben zertrümmert hat.

Willkommen auf meinem Blog. Ich heiße Anastasia, bin 22 Jahre alt und lebe in Krefeld. Ich schreibe seit ungefähr elf Jahren und es ist zu einem Zufluchtsort geworden, neue Charaktere zu erschaffen und mir neue Welten auszudenken. Ich liebe es zu lesen und möchte meine Liebe zu Büchern mit anderen teilen!

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