Schattenmädchen (Kap.9)
Ich atmete mehrmals tief ein und aus, bevor ich mich zusammenreißen und Finn in die Küche folgen konnte. Er stand dort mit dem Rücken zu mir gedreht am Fenster und starrte nach draußen. Diesmal war ich diejenige, die fragte, ob alles in Ordnung sei. Auf meine Stimme hin drehte er sich um und lächelte mir locker zu. „Na klar doch, hast du Hunger?“, wollte er nun wissen. In diesem Moment merkte ich erst, dass ich seit meinem schnellen Frühstück am Vormittag nichts mehr zu mir genommen hatte. Meinem Magen schien das nicht zu gefallen, weil er sich mehrmals mit einem Knurren meldete. „Das deute ich mal als Ja“, sagte er lachend und deutete dann auf die bereits angefertigten Sandwiches auf der Küchentheke. Ich machte es Finn nach und setzte mich auf einen der Barhocker ihm gegenüber. Wir begannen schweigend zu essen, während Finn mich mit einem durchdringenden Blick musterte. „Was ist?“, fragte ich, als ich aufgekaut hatte. „Du bist einfach zu schön“, meinte er und biss dann von seinem Sandwich ab, seine Wangen färbten sich dabei leicht rot. Auch ich spürte, wie mir heiß wurde und ich senkte den Blick, um nicht in seine Augen sehen zu müssen. Wieso sagte er nur solche Sachen zu mir? Meinte er das überhaupt ernst? Ich konnte es bei ihm einfach nicht erkennen, fragen konnte ich ihn erst recht nicht. Nachdem wir aufgegessen hatten, half ich ihm noch die Teller wegzuräumen, dann bot er mir an, mich zur Bushaltestelle zu begleiten. Ich nickte dankbar, weil ich mich in seiner Gegend nicht auskannte und es bereits dunkler wurde. Finn und ich zogen unsere Jacken an und verließen dann das Haus. Es hatte zu regnen begonnen und wir beschleunigten automatisch unsere Schritte, um nicht klitschnass zu werden. Als wir bei der Haltestelle ankamen, waren wir trotz des kläglichen Versuches, durchnässt und Finn entschuldigte sich mehrmals dafür bei mir, keinen Regenschirm mitgenommen zu haben. Ich winkte jedes Mal ab und versuchte, mein Frieren mit einem Lächeln zu überspielen. Ich wollte nicht, dass er meinetwegen ein schlechtes Gewissen hatte. Wir warteten schweigend auf den Bus, obwohl er seinen Arm um meine Schultern gelegt hatte, um mich vor der Kälte zu schützen. Als dann der Bus hielt, umarmte er mich zum Abschied und drückte einen Kuss auf meine Wange. „Wir sehen uns“, flüsterte er in mein Ohr, dann ließ er mich gehen. Und mein Herz nahm er mit.