#twofaced (Kap. 6)
Während Milena die Theke vor sich mit dem dunkelgrünen Lappen abwischt, um die klebrige Flecken des verschütteten Biers zu entfernen, die ein etwa Vierzigjähriger, bereits angetrunkener Mann dort hinterlassen hat, denkt sie an die bevorstehende Party von Leo nach. Es ist Freitag, der Tag, an dem sein Haus aus allen Nähten platzen und viele betrunkene Jugendliche beherbergen wird und Milena wird wie immer eine der letzten sein, die dort aufkreuzen, weil sie mit diesem Job erst um zehn Uhr abends Feierabend haben wird. Sehnsüchtig schaut sie immer wieder auf ihre Armbanduhr und fleht die zwei Zeiger an, sich schneller fortzubewegen. Aber ihre Gebete bleiben unerhört, denn es bleibt acht Uhr und somit muss Milena noch weitere zwei Stunden hinter diesem Tresen stehen bleiben und den Besuchern der Kneipe „Beim Bär“ ihre erwünschten Getränke servieren. „Ein Mal Weizen und eine Cola, bitte“, ertönt da die tiefe Stimme eines Mannes und sie lässt den Lappen in die Tasche ihrer Schürze sinken und widmet ihre Aufmerksamkeit dem Kunden vor ihr. Er scheint Anfang zwanzig zu sein, hat dunkles, gelocktes Haar und eine dünne Hornbrille auf seiner schmalen Nase sitzen. Ein Lächeln im Gesicht, das seine weißen, geraden Zähne entblößt, schaut er Milena erwartungsvoll an. Sie schnappt sich ein frisch gewaschenes Bierglas und füllt es mit einem seiner angefragten Getränke, danach wiederholt sie das Prozedere mit der gewünschten Cola. „Hier, bitte“, sagt sie, während sie ihm ein breites Lächeln schenkt. So wird es hier von den Mitarbeitern verlangt. „Das wären dann einmal sechs Euro“, schiebt Milena noch hinterher, woraufhin der Kunde seine Brieftasche zückt und einen Zehner herausholt. „Passt so“, verkündet er und geht mit einem Zwinkern und seinen Getränken davon. Milena bleibt verdutzt zurück und betrachtet den Schein, auf dem in schwarzem Filzstift eine Handynummer drauf gemalt ist.