Schattenmädchen (Kap. 10)
Die darauffolgenden Wochen flogen wie in einem Rausch an mir vorbei. Beinahe jeden Tag traf ich mich mit Finn, der sich als großer Romantiker erwies und mich jedes Mal aufs Neue mit einer Kleinigkeit überraschte. Meine Eltern bekam ich kaum noch zu Gesicht, da ich morgens das Haus mit ihnen zusammen verließ, um zur Schule zu fahren und nach der Schule fuhr ich meistens dann mit zu Finn. Er brachte mich zum Lachen, aber auch häufig zum Erröten, wenn er mir mal wieder ein Kompliment machte. Ich bekam immer öfter zu hören, wie schön ich sei, wie wundervoll und wie glücklich er sich schätzen konnte, mich zu haben. Nach vier Wochen beinahe täglichen Kontakts und auch dem ein oder anderen Kuss, hatten wir dann diesen Punkt erreicht, an dem man sich die Frage stellen sollte, ob wir jetzt als Paar galten oder nicht. So nervös, wie Finn in diesem Moment zu sein schien, hatte ich ihn noch nie erlebt. Er wirkte einfach immer so selbstbewusst und beherrscht, dass ich diese verletzliche Seite an ihm noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatte. Ich wusste gar nicht, wie ich mich in der Situation verhalten sollte, weil ich noch nie einen wirklichen Freund gehabt hatte und dementsprechend nichts aus diesem Bereich wusste. Peinlich berührt saßen wir uns also gegenüber, sahen überall hin nur nicht zueinander und warteten darauf, dass der jeweils andere das Wort ergriff. Schließlich gab sich Finn einen Ruck und begann, irgendeinen Unsinn darüber zu schwafeln, dass er mich schon lange mochte und dieses Gefühl sich in den letzten Wochen nur verstärkt hatte. Ich konnte nicht fassen, was ich da zu hören bekam. Ich hatte immer geglaubt, dass Finn sich zu cool für meine Wenigkeit hielt und mich deshalb keines Blickes würdigte, wenn wir auf dem Schulflur aneinander vorbei liefen. Anscheinend hatte ich mich jedoch völlig geirrt in meiner Wahrnehmung und Finn hatte mich von Anfang genauso gemocht, wie ich ihn. Als er dann, während er so vor mir saß und meinen Blick mied, davon faselte, glücklich darüber zu sein, wenn ich seine Freundin werden würde, rückte ich näher zu ihm heran und küsste ihn. Er blickte mich erstaunt an, schien aber nicht allzu gestört, von meiner vorzeitigen Unterbrechung zu sein. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir dann damit, einen Film zu sehen, während ich in seine Armbeuge gekuschelt neben ihm lag und das dämliche Grinsen auf meinem Gesicht nicht mehr verbergen konnte.