Neben dir sein (Kap. 16)
Bevor ich losgehe, um mich zu Marco und dem Film begebe, möchte meine Mutter noch, dass ich einen Happen esse, damit sie sich keine Sorgen um meine Ernährung machen muss. Natürlich kriege ich nicht viel runter, weil ich in Gedanken schon mögliche Gesprächsthemen durchgehe und immer mal wieder mein Outfit checke. Fehlt nur noch, dass ich mit öligen Flecken von den Bratkartoffeln bei ihm aufkreuze. Nach ein paar halbherzigen Versuchen, etwas zu essen, bedanke ich mich bei Mama, schiebe den halbleeren Teller von mir und laufe in den Flur, um mich anzuziehen. „Wo gehst du denn jetzt eigentlich hin?“, möchte meine Mutter wissen und steht im Türrahmen, während ich meine Stiefel zuschnüre. „Zu einem Kumpel, wir wollen zusammen lernen.“ Ich muss ihr ja jetzt nicht unbedingt auf die Nase binden, dass wir höchstwahrscheinlich allein bei ihm sein werden und dass wir einen Film schauen. Das würde sie vermutlich dazu bewegen, mir den Ausgang zu verbieten. „Hm, kenne ich diesen Kumpel?“, möchte sie wissen, wobei sie das Wort „Kumpel“ so offensichtlich betont, dass klar ist, was sie damit eigentlich erfragen möchte. „Nein, du kennst ihn nicht, und jetzt hör auf mich so anzuschauen.“ Diese Situation fühlt sich beinahe normal an und ich erinnere mich sehnsüchtig an die Tage zurück, an denen Nick und ich unsere Date-Nachmittage veranstaltet haben. Da hat Mama auch immer im Türrahmen gestanden und mir beim Fertigmachen zugeschaut, ein seliges Lächeln im Gesicht. „Bitte schreib mir zwischendurch, damit ich mir keine Sorgen machen muss, okay?“ Das Grinsen ist aus ihrem Gesicht verschwunden, die Sorgenfalten sind wieder deutlich zu erkennen. Zur Antwort nicke ich, schlüpfe zuletzt in meinen Mantel und verabschiede mich dann mit einem Winken. Ich versuche, möglichst langsam zu gehen, damit ich den größten Teil meiner lächerlichen Nervosität loswerden kann. Als ich dann vor seiner Haustür stehe, muss ich mehrmals tief durchatmen, bevor ich die Klingel drücke. Wenig später öffnet ein frischgeduschter Marco mir die Tür, wie immer mit seinem strahlenden Grübchenlächeln. Ich erwidere sein Lächeln und hoffe, dass ich dabei nicht zu gezwungen aussehe. „Was möchtest du denn schauen?“, fragt er und hält drei DVD-Hüllen hoch. Den Bildern nach zu urteilen handelt es sich um eine Romantische Komödie, ein Drama und einen Horrorfilm. „Du stehst wohl auf Mädchenfilme?“ Spöttisch sehe ich ihn an und er wird leicht rot. „Tja, ich wohne eben in einem wahren Frauenhaushalt. Meine Mom, meine Cousine, meine Tante und meine Großmutter. Da muss man solche Filme halt aushalten.“ Die Vorstellung, wie Marco umzingelt ist von Frauen lässt mich schmunzeln und schließlich entscheide ich mich für die Rom-Com. Marco holt Popcorn für uns und zusammen verbringen wir einen gemütlichen Gammelabend. Wir lachen zusammen an den gleichen Stellen, machen uns über dämliche Charaktere lustig und sind am Ende beide zufrieden mit dem Filmende. Und ich muss gestehen, es ist lange her, dass ich mich so wohl gefühlt habe.