Schattenmädchen (Kap. 15)
Nach dem Vorfall bei Finn zu Hause, vermied ich es noch mehr, ihn zu sehen und mich mit ihm zu treffen. Ihm gefiel das ganze natürlich eher weniger, weshalb er es sich zur Gewohnheit machte, jeden Abend bei mir anzurufen und jeden zweiten Abend auch bei mir vorbeizufahren. Dabei kümmerte ihn nicht, dass ich in Arbeit versank und meine Laune mehr sank als stieg, wenn er mal wieder „spontan“ vorbeischaute. Finn hatte sich nicht entschuldigt bei mir, weder dafür uns beim Sex gefilmt zu haben, noch dafür mich geschlagen zu haben. Ich war mir sicher, dass das Video nach wie vor existierte und er auch nicht vorhatte, es in nächster Zeit zu löschen. Ich versuchte, meiner Mutter davon zu erzählen, damit sie mich unterstütze und mir half, aus dieser mehr als ungesunden Beziehung rauszukommen, jedoch war sie eher schockiert von meinem angeblichen Fehlverhalten einem Mann gegenüber. „Du weiß doch, er hat eben ein großes Temperament, damit musst du klar kommen, Elise. Sonst wirst du niemanden mehr finden, der sich mit dir zufrieden gibt.“ Ich zeigte ihr nicht, wie sehr ihre Worte mir zusetzten, aber innerlich brach ein weiteres kleines Stück in mir und ich konnte nichts weiter tun, als meine Sorgen und meine unendliche Trauer in mich hineinzufressen. Nach drei Wochen, fiel auch Finn langsam auf, dass ich mich weigerte, zu ihm nach Hause zu fahren und seine Reaktion darauf, zeigte mir, dass es um uns schlimmer stand als erwartet. Wir befanden uns in meinem Zimmer, die Tür war angelehnt, meine Eltern saßen unten im Wohnzimmer und schauten fern. „Lass uns zu mir fahren“, schlug Finn vor und streichelte dabei über meinen Rücken. Er versuchte, mich zu täuschen, versuchte, den liebevollen Jungen zu verkörpern, der er am Anfang unserer Beziehung gewesen war. Doch ich hatte keine Kraft mehr, so zu tun, als würde ich glücklich sein, weshalb ich einfach erwiderte: „Fahr selbst, ich hab noch viel zu tun.“ Er hörte abrupt auf, meinen Rücken zu streicheln und drückte seine Fingernägel in meine Haut. „Was hast du gesagt?“ Seine Stimme klang in meinen Ohren wie Nägel, die über eine Tafel kratzen. Ich verspannte mich noch mehr, ballte meine Hände zu Fäusten und schluckte. „Ich habe zu tun. Fahr bitte nach Hause.“ Er keuchte auf und ließ von meinem Rücken ab. Grob packte er mich am Arm und drehte mich zu sich um. „Was denkst du, wer du bist?“ Sein Gesicht zeigte mir Ekel. Ich widerte ihn an. Es war mir egal. „Glaubst du, so redet man mit einem Mann?“ Mein Arm brannte an der Stelle, wo er seine Nägel hineinbohrte. Ich konnte mir die roten Sicheln vorstellen. Ich blieb stumm, gab kein Wort von mir. „Ohne mich bist du ein Nichts!“ Seine Stimme wurde mit jedem Mal lauter. Meine Eltern würden uns nicht hören, der Fernseher lief. „Wenn du mir nicht gehorchst, weißt du was passiert…“ Er ließ meinen Arm fallen und erhob sich vom Bett. „Wenn du mir nicht gehorchst, veröffentliche ich das Video. Alle werden sehen, was für eine Schlampe du bist.“ Ich blinzelte die Tränen weg, wie so oft schon in Finns Gegenwart und stand ebenfalls auf. Er lächelte mich an. „Komm, lass uns zu mir fahren.“