Neben dir sein (Kap. 17)
Nach dem Film schlägt Marco vor, noch eine Runde um den Block spazieren zu gehen, was ich lächelnd bejahe. Der Abend macht mir soweit ziemlichen Spaß und ich bin ehrlich gesagt doch froh, dass ich meine Unsicherheiten überwunden und ihm geschrieben habe. Obwohl ich immer noch nicht weiß, wie wir zueinander stehen und was er zu diesem Thema beizutragen hat, kann ich mich glücklich schätzen wenigstens einen neuen Freund gefunden zu haben, bei dem ich abschalten kann. Beim Hinausgehen öffnet Marco mir galant die Tür und schenkt mir eines seiner unwiderstehlichen Lächeln, nachdem ich mich bedankt habe. Draußen ist es bereits stockdunkel und um einiges kälter als auf meinem Hinweg. Ich versuche, meine Zähne nicht zu sehr klappern zu lassen. Zunächst laufen wir schweigend nebeneinander, unser Atem bildet kleine Wölkchen, die in der Dunkelheit besonders hervorstechen. Einzelne Fenster der Häuser an denen wir vorbeigehen sind beleuchtet, einige sind bereits mit Adventskränzen beschmückt, andere sind wiederum noch leer. Unser Fenster hat früher zu erster Kategorie gehört, Mama und ich haben immer fleißig dekoriert, aber in diesem Jahr ist an so etwas nicht zu denken. „Alles okay?“, fragt Marco und reißt mich damit aus meiner Trance. „Ja, klar. Habe nur über die Deko in den Fenster nachgedacht“, erwidere ich, gehe aber nicht ins Detail. Ich weiß nicht, ob ich Marco jemals davon erzählen werde, was damals mit Nick geschehen ist und wie ich in diese Geschichte reinpasse. Als es passiert ist, war es wochenlang die Hot-Story Nummer eins, bis ein neues Ereignis wie eine Bombe eingeschlagen ist und Nick immer und immer weiter in den Hintergrund geriet. Seiner Familie und auch mir ist das mehr als recht, denn weder sie noch ich waren besonders erpicht darauf, den Zeitungsfuzzis alles brühwarm zu erzählen. Vermutlich hat Marco also von dem Ereignis gehört, aber ich muss ihm jetzt noch nicht unbedingt einweihen, dass ich das Mädchen bin, die an seiner Seite hockte, als er starb. „Dir scheint kalt zu sein“, bemerkt Marco und mir bleibt nichts anderes übrig als unter seinem intensiven Blick zu nicken. „Komm, dann bringe ich dich nach Hause.“ Er greift wie selbstverständlich nach meiner Hand und zusammen laufen wir die wenigen Häuser bis zu meiner Haustür. „Ich.. ähm“, stammele ich und weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich den Mund aufgemacht habe. Wollte ich mich bedanken? Wahrscheinlich. „Danke. Also für den Abend“, presse ich noch hervor, bevor ich mich zur Haustür drehe. Ich krame nach meinem Schlüssel, als sich Marcos Hand um mein Handgelenk legt und er mich zu sich umdreht. Sanft hebt er mein Kinn mit seinem Zeigefinger und schaut mir liebevoll in die Augen. Dann platziert er seine Lippen auf meine. Im ersten Moment bin ich wie erstarrt, aber als er seine Hand auf meine Wange legt, umarme ich ihn und küsse ihn zurück. Seine Lippen sind weich und er ist unendlich sanft und vorsichtig. So als hätte er sonst Angst, dass ich in seinen Armen zerbreche. „Ich muss dir danken“, sagt er, seine Stimme klingt heiser, als er sich von mir löst. Dann geht er langsam rückwärts und ich starre ihn so lange an, bis er vollständig in der Dunkelheit verschwunden ist.